Betreff
Anregung/Beschwerde gem. § 24 GO NRW
hier: Friedhofsgebührensatzung
Vorlage
529/2014-2020
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 14. März 2017 (Anlage 1) kritisiert der Anreger durch seinen Rechtanwalt die aktuelle Friedhofsgebührensatzung der Stadt Brakel, explizit die Höhe der Grabnutzungsgebühren und beantragt eine rückwirkende Änderung der betreffenden Gebührensatzung unter Berücksichtigung der im Schreiben dargelegten Maßgaben.

 

Gemäß § 24 Gemeindeordnung NRW hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat zu wenden.

 

Das Schreiben ist eine Anregung/Beschwerde im Sinne des § 24 GO NRW in Verbindung mit § 6 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Brakel und daher zunächst vom Haupt- und Finanzausschuss als „Beschwerdeausschuss“ zu behandeln.

 

Da es sich um eine Satzungsanregung handelt, ist diese zunächst inhaltlich durch den Haupt- und Finanzausschuss zu beraten und dann eine gegebenenfalls notwendige Satzungsänderung durch den Rat zu beschließen.

 

Gemäß den Regelungen in der Gemeindeordnung NRW obliegt der Gemeinde das Satzungsrecht für kommunale Angelegenheiten. Dementsprechend ist mit Beschluss des Rates vom 08.09.2016 die aktuell gültige Friedhofsgebührensatzung der Stadt Brakel beschlossen worden und zwischenzeitlich in Kraft getreten.

 

Seitens des Anregers werden die Kalkulation der Anlageverzinsung sowie der festgesetzte Anteil öffentlichen Grüns kritisiert und als fehlerhaft angesehen.

 

Unter Beteiligung der von der Stadt beauftragten Steuerberatungsgesellschaft ACCURA-JANOS, der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein - Westfalen, dem Städte- und Gemeindebund NRW und der Aufsichtsbehörde schlägt die Friedhofsverwaltung der Stadt Brakel vor, dem Antrag auf Grund der nachfolgenden Begründungen nicht zu entsprechen.

 

Begründung Zinssatz:  
Maßgebend für die Höhe des in einer Gebührenkalkulation angesetzten Zinssatzes ist, nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW zu verstoßen. Danach soll das im maßgeblichen Prognosezeitpunkt der Gebührenbedarfsberechnung für den Kalkulationszeitraum vorkalkulatorisch veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der über die Gebühren zu finanzierenden Einrichtung decken, sie aber nicht überschreiten. Unerheblich sind Kostenüberschreitungen von nicht mehr als 3%, wenn sie nicht auf bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften Kostenansätzen beruhen (Beschlüsse OVG NRW vom 29.3.2012 und vom 25.11.2010).

Hierzu macht auch das VG Düsseldorf in seinem Urteil vom 26.06.2015, AZ.: 23 K 484/13 Ausführungen und stellt fest, dass nach der Rechtsprechung des OVG NRW eine kalkulatorische Überdeckung von bis zu 3 % keine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots ist, soweit sie weder auf willkürlichen, also bewusst fehlerhaften Kostenansätzen beruhten oder diesem schwer und offenkundig fehlerhafte Kostenansätze zugrunde liegen.

 

Nach § 6 Abs. 2 KAG NRW zählt u.a. eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Eigen- und Fremdkapitals zu den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten. Dabei bestimmt sich der Zinssatz nicht nach den in der jeweiligen Gebührenerhebungsperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnissen. Vielmehr handelt es sich um eine kalkulatorische Verzinsung des in der Anlage langfristig gebundenen Kapitals, das sich im gesamten Restbuchwert der Friedhöfe widerspiegelt.

Insofern sind für die Höhe des anzusetzenden Zinssatzes die langfristigen Durchschnittsverhältnisse am Kapitalmarkt maßgebend. Diese können am langjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten abgelesen werden (OVG NRW 13.4.2005).

Nach dem VG Düsseldorf vom 28.5.2014 darf dieser Durchschnittswert sogar um 0,5%-Punkte zur Abdeckung des Umstandes erhöht werden, dass wegen der die Anlagenzinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen ist.

 

Herr Dipl.-Bw.(FH)/Dipl.-Vw./Dipl.-Hdl. Martin Kronawitter ermittelt ausgehend von den Emissionsrenditen in dem 50-jährigen Zeitraum bis zum Vorvorjahr des Jahres , für das Gebühren kalkuliert und erhoben werden sollen (hier im Beispielfall im Veranlagungsjahr 2015, VG Aachen vom 11.12.2015 einen zulässigen Zinssatz von 6,68 % bzw. für das Kalkulationsjahr 2017, GPA NRW 30.03.2017, einen zulässigen Zinssatz von 6,52 %.

 

In der Praxis werden wir oft damit konfrontiert, dass für das Umlauf- bzw. für das Anlagevermögen unterschiedliche Zinssätze anzusetzen sind. Die Kapitalbindung des Anlagevermögens sei in der Regel länger als die des Umlaufvermögens. Dies beinhaltet jedoch nicht die Verpflichtung unterschiedliche Zinssätze für die Vermögensanteile anzusetzen, zumal § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW auch keine differenzierte Berechnung vorsieht (OVG NRW 13.4.2005). Daher kann auch das Umlaufvermögen mit in die Zinsbasis und dem einheitlichen Zinssatz einbezogen werden.

 

In Brakel ist eine separate Berechnung auf Basis des Umlaufvermögens unterblieben. Quasi als Ausgleich bzw. um nicht die Allgemeinheit mit Zinskosten zu belasten, die verursachungsgerecht den Friedhofsgebühren zuzurechnen sind, wurde der obige Zinssatz zum Zweck der Friedhofsgebührenkalkulation entsprechend aufgerundet.

 

Begründung „Öffentliches Grün“

Nach dem KAG NRW ist grundsätzlich Vollkostendeckung anzustreben. Auch fordert § 77 GO NRW, dass spezielle Entgelte vorrangig vor Steuern zu erheben sind.

In NRW gibt es keine gesetzliche Regelung für eine Eigenbeteiligung der Gemeinde – es ist also nirgends zwingend gesetzlich festgelegt, wie hoch der zu deckende Anteil sein soll.

Allerdings dürfen nur die ansatzfähigen Kosten in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden. Leistungen, die nicht dem Gebührenschuldner, sondern der Gemeinde zu gute kommen oder in überwiegend öffentlichem Interesse liegen, dürfen nicht in die Gebührenkalkulation einbezogen werden. Soweit also ein Friedhof nicht nur reinen Bestattungszwecken dient, sondern auch die Funktion als sog. "öffentliches Grün" hat, können bestimmte Kosten unberücksichtigt bzw. reduziert werden. Die örtlichen Verhältnisse sind hier zu berücksichtigen. Der Wert variiert somit ja nach Größe, Ausstattung und Lage des Friedhofs.

 

Eine Möglichkeit zur Ermittlung des Werts für das öffentliche Grün bietet die Empfehlung der ständigen Konferenz der Gartenamtsleiter beim Deutschen Städtetag. Diese differenziert zwischen gebührenrelevanten und nicht gebührenrelevanten Aufwendungen. Nicht gebührenrelevante Aufwendungen fallen z.B. für folgende Anlagen an: Seen, Teiche, Wasserspiele, Wasserläufe, Baudenkmäler, Kunsteinrichtungen und –gegenstände, Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, Ehrengräber, erhaltungswürdige Grabstätten, öffentliche gewidmete Verkehrsflächen, nicht ausgebaute Vorratsflächen sowie ausgewiesene Biotopflächen.

Der Bayrische Kommunale Prüfungsverband führt in seinem Geschäftsbericht 2005 hierzu aus: "Dieser Kostenanteil lässt sich quantitativ nicht allgemein festlegen, denn er hängt unter anderem von den Benutzungsgewohnheiten, dem Bestand sonstiger nahegelegener Grünflächen, der Belegdichte und dem Anteil nicht unmittelbar Bestattungszwecken dienender Flächen ab. Bei der Bestimmung des Kostenanteils für das öffentliche Grün hat die Gemeinde einen Ermessens- und Bewertungsspielraum, der aber aus der Sicht einer kostendeckend zu betreibenden Einrichtung eher zurückhaltend genutzt werden sollte."

 

Die GPA NRW hat hierzu im Kreis Höxter u.a. der Stadt Brakel die Reduzierung des damals erhobenen -und aus Sicht der GPA NRW zu hohen Anteils- von 25 % auf 10 % empfohlen und diese Reduzierung als sachgerecht angesehen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel eine Erholungsfunktion bei Friedhöfen im ländlichen Raum weniger gegeben ist, als in Ballungsräumen. In anderen Prüfungsberichten aus Dezember 2007 lautet die Begründung der GPA NRW, dass aufgrund der Lage im Weserbergland die Friedhöfe in eine typische Erholungslandschaft eingebettet sein und keine Bedeutung als Ort der Erholung hätten.

Auch die Aufsichtsbehörde der Stadt Brakel, der Kreis Höxter, hat den angesetzten Prozentsatz von 10 % bisher für unproblematisch befunden.

 

Mit Blick auf den Friedhof der Stadt Brakel, Kernstadt, Bökendorfer Str. 4, mit rd. 40.000 qm Fläche wäre aus Sicht der Friedhofsverwaltung danach „nur“ der Wasserlauf neben der Friedhofskapelle mit rd. 60 qm und das Vertriebenenehrenmal mit rd. 12 qm abzuziehen. Dies zeigt deutlich, dass die bei der Stadt Brakel seit Jahren berücksichtigten Prozentsatz von 10 % mehr als überhaupt notwendig den oben genannten Empfehlungen pp. entsprechen.

 

 

Allgemeiner Hinweis

Allgemein ist im Rahmen der Kalkulationsmethode noch darauf hinzuweisen, dass in der aktuellen Gebührenkalkulation die Berechnung der kalkulatorischen Kosten auf dem Ansatz von Anschaffungs- und Herstellungskosten basiert. Die GPA NRW hatte aber bereits empfohlen, künftig im Rahmen der Gebührenkalkulation die Abschreibungsbasis auf Wiederbeschaffungszeitwerte umzustellen, was in der Regel zu noch höheren Gebühren führen würde. Insoweit wurden in Brakel die Kalkulationsgrundsätze schon so angelegt, nicht die höchstmöglichen Gebühren zu kalkulieren.


Anlagen:

 

-      Schreiben des Anregers vom 14.03.2017


Beschlussvorschlag:

 

Es wird beschlossen, dem Antrag vom 14.03.2017, Eingang per E-Mail vom 15.03.2017, von Herrn Hermann Josef Schulz, vertreten durch den Rechtsanwalt Block, die am 08.09.2016 vom Rat der Stadt Brakel beschlossenen Gebührensatzung zur Satzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen der Stadt Brakel rückwirkend zu ändern nicht zu entsprechen.


Haushaltsrechtliche Auswirkungen:

 

keine haushaltsrechtlichen Auswirkungen