Beschluss: zur Kenntnis genommen

Der Vorsitzende Giefers verweist auf das Anschreiben des Ratsherrn Holtemeyer vom 11. Januar 2024 hinsichtlich des Hochwassers in Riesel im Dezember vergangenen Jahres. Speziell war die Lingenstraße betroffen, in der sich das Grundwasser in den Schmutzwasserkanal gedrückt habe und dieses dann in die Häuser einiger Anwohner gelang.

 

Der Vorsitzende erteilt Alexander Frewer das Wort. Dieser präsentiert zunächst anhand eines Videos, wie man sein privates Objekt vor Grundwasser- bzw. Schmutzwassereintritt schützen könne. Empfohlen werde z.B. der Einbau von rückstauenden Abflussrohren bzw. der Einbau von Rückstausicherungen.

 

Ratsherr Holtemeyer schildert das im Dezember 2023 aufgetretene Problem in Riesel. Das ausgetretene Schmutzwasser sei teilweise in das Mauerwerk der Häuser gezogen. Er fragt an, woher das Wasser komme und wie die damaligen baulichen Planungen zur Lingenstraße gewesen seien. Was können die Anwohner tun, um sich hier zu schützen?

 

Alexander Frewer führt hierzu umfassend aus, dass unerwünschtes Wasser über verschiedenste Wege in die städtischen Schmutzwasserkanäle eintritt. Zum einen sei es Grundwasser über undichte Rohre und Schächte, aber auch Oberflächenwasser über Lüftungsöffnungen der Schachtabdeckungen. Um dem entgegen zu wirken würden in Senken bzw. Tiefpunkten die Schachtabdeckungen in der Regel ohne Lüftungsschlitze ausgeführt (die sonst für den notwendigen Luftaustausch sorgen). In besonderen Bereichen, wie Überschwemmungsgebieten, seien Schachtabdeckung sogar tagwasserdicht verschraubt.

 

Herr Frewer informiert, dass die städtischen Kanäle seit Jahrzehnten nach dem Bau einer Dichtheitsprüfung unterzogen und mindestens alle 15 Jahre (gemäß der Selbstüberwachungsverordnung NRW) mittels einer Kamera befahren werden. Neben den Kosten für diese Untersuchungen investiere die Stadt Brakel jährlich rund 400.000 € in die Sanierung. Im sogenannten Inlinerverfahren werden dabei schadhafte Kanalabschnitte mit einem aushärtenden Schlauchmaterial abgedichtet.

 

Speziell für das Einzugsgebiet Riesel wurde im Jahr 2012 die Ortschaft Siddessen, 2016 Riesel selbst, 2017 der Schmutzwassersammler von Rheder nach Riesel, 2020 der Ortsteil Rheder und der Sammler Istrup-Riesel, 2021 Istrup und im vergangenen Jahr Frohnhausen und Hampenhausen saniert. Dabei habe die Stadt Brakel zusammenfassend weit mehr als 1 Millionen Euro allein für diesen Bereich in die Unterhaltung des öffentlichen Kanalnetzes investiert.

 

Ein weiterer Eintragspfad seien private Grundstücksanschlüsse, erklärt Herr Frewer. Auch von hier gelange Wasser über undichte Leitungen in das Kanalnetz, aber auch über Fehlanschlüsse von Dachrinnen und falsch angeschlossenen Drainagen.

Anders als beim Nebeln, bei dem der Schmutzwasserkanal unter Wasserdampf gesetzt werde und an Fehlanschlüssen wie Straßeneinläufen, Lichtschächten und Dachrinnen der Nebel austräte, könnten falsch angeschlossene Drainagen und Undichtigkeiten nur mittels Kamerabefahrung festgestellt werden, wenn zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich die Drainagewasser über die Stutzen in den Hauptkanal liefe. Dies sei bei niedrigeren Grundwasserständen im Sommer eher nicht der Fall, dies aber oftmals die Zeiten seien, in denen die TV-Befahrungen stattfänden. Bei zu viel Wasser im System könnte nämlich keine belastbare Aussage über den Zustand der Rohrleitung getroffen werden, da das eingesetzte Kamerasystem im trüben Abwasser keine brauchbaren Bilder liefere.

 

Hausanschlüsse würden seitens des Abwasserwerkes in der Regel nicht untersucht, da sie nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage seien. Und auch der Eigentümer müsse diese nicht untersuchen, so Herr Frewer. Die Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (kurz: SüwVO Abw) regelt in Teil 2 „Selbstüberwachung privater Abwasserleitungen“ lediglich, dass der „Eigentümer … Abwasserleitungen zum Sammeln oder Fortleiten von Schmutzwasser nach der Errichtung oder nach wesentlicher Änderung unverzüglich von Sachkundigen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik auf deren Zustand und Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen“ hat. „Abwasserleitungen, die zur Fortleitung häuslichen Abwassers dienen, sind keiner Wiederholungsprüfung zu unterziehen.“

 

Herr Frewer ergänzt, dass die Gemeinde zwar durch Satzung die Vorlage einer Bescheinigung über das Ergebnis der Zustands- und Funktionsprüfung regeln könne, dies wurde aber seinerzeit seitens des Betriebsausschusses abgelehnt. So werden private Anschlüsse im öffentlichen Bereich lediglich (seitens der Stadt) untersucht, wenn dort Straßensanierungsarbeiten anstehen, wie zuletzt in der Hembser Fatimastraße, in Siddessen in der Schulbrede oder in Frohnhausen an der L953.

 

Etwaige Sanierungskosten für private Hausanschlüsse im öffentlichen Bereich seien dann per Kostenersatz der Stadt Brakel zu erstatten; Schäden und Fehlanschlüsse direkt auf dem eigenen Grundstück habe der Eigentümer zu beseitigen.

 

Herr Frewer erklärt weiter: Auf den städtischen Kläranlagen gibt es grundsätzlich kein gravierendes Fremdwasserproblem. Bei Fremdwasser handelt es sich um Regen- und Grundwasser, was in den Schmutzwasserkanal gelangt. Der Gesetzgeber toleriert hier einen Fremdwasseranteil von bis zu 50%.

Im Jahr 2022 lag die Jahresschmutzwassermenge auf der KA Brakel bei 873.000 m³, bei 550.000 m³ verkauftem Trinkwasser.

Im Jahr 2023 lag sie bei 1.156.696 m³, bei 546.500 m³ Trinkwasser.

 

Die Jahresniederschlagsmenge betrug im Jahr 2022 597 l/m², in 2023 950 l/m² (Messstelle Kläranlage Brakel). An diesen Werten kann man erkennen, dass aufgrund der gestiegenen Niederschläge die Jahresschutzwassermenge zugenommen hat. Da dieser Wert allerdings um die Regentage bereinigt wird, deutet alles auf einen erhöhten Eintrag an Grundwasser hin.

 

Ist der Fremdwasseranteil zu hoch, werden seitens der Bezirksregierung Ordnungsverfügungen ausgesprochen, denn Abwasser soll gereinigt und nicht verdünnt werden. Zudem überlastet Fremdwasser die Kanäle und Kläranlagen, verringert die Reinigungsleistung und Schadstoffe gelangen somit vermehrt in die Gewässer. Zudem erhöht sich der Energiebedarf der Abwasseranlagen.

In diesem Zusammenhang sei an den Ortsteil Bökendorf erinnert, wo es vor rd. 15 Jahren wegen des massiven Fremdwassereintrags und der daraus verhängten Ordnungsverfügung zu einer flächendeckenden Untersuchung und Beseitigung des Problems kam. Dies hat letztendlich Investitionen von mehr als 1 Millionen Euro für Stadt und Bürger ausgelöst.

 

Werden die Hauptkanäle saniert, steigt oftmals der Grundwasserspiegel und das Wasser tritt sogar noch stärker über diese Anschlussleitungen ins System. Als weiterer ungewollter Nebeneffekt bedrohen steigende Grundwasserstände zudem Kellersohlen und -wände. Keller müssen zwar nach der DIN 18195 abgedichtet sein, doch ist dies im Altbestand oftmals nicht der Fall und nachträglich nur sehr schwer bzw. kostenintensiv möglich.

 

Fremdwasser besteht zusammengefasst aus:

·         Oberflächenwasser, das durch die Schachtabdeckungen in die Kanalisation eindringt

·         Grundwasser, das in undichte Kanäle eindringt

·         unerlaubte Anschlüsse von Dränage- und Regenwasser-Leitungen

Zu der Aussage des Ratsherr Holtemeyer „Das Schmutzwasser (Fäkalien) kam aus den Kanälen und lief über die Abwasserkanäle in die Häuser“, erklärt Herr Frewer, dass Rückstau bei starken Regenfällen und Hochwasser auftreten könne, besonders gefährdet seien dabei Regenwasser- und Mischkanäle. Aber auch in Schmutzwasserkanälen käme es aus besagten Gründen zu Rückstau. Ferner könnten Verstopfungen, Schäden an Rohrleitungen und Spülarbeiten zu Rückstau führen.

 

Herr Frewer erläutert weiter: Nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren besteht die Gefahr, dass das Wasser vom Kanal durch Sanitärgegenstände unterhalb der Rückstauebene ins Gebäude eindringt und Schäden verursacht. Alle Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene müssen daher durch eine Hebeanlage, Rückstausicherung oder andere Verschlüsse gegen Rückstau geschützt werden. (siehe auch Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Brakel §13)

Die Rückstauebene markiert den höchstmöglichen Stand des Abwassers im Kanalsystem, bevor es an die Oberfläche tritt. In der DIN ist sie definiert als „die höchste Ebene, bis zu der das Wasser in einer Entwässerungsanlage ansteigen kann“. Als maßgebende Rückstauebene gilt die Straßenoberkante an der Anschlussstelle des Grundstücksentwässerungskanals.

Gegen Wasser, dass über die Oberfläche in die Häuser fließt, schützt man sich in der Regel, indem man 1-2 Treppenstufen vor seinen Haus- bzw. Kellereingängen hat. Ferner sollten Lichtschächte gegen Zufluss gesichert werden und die Kellerfenster druckwasserdicht sein. Ist dies nicht der Fall, sollte der Objektschutz mittels Sandsäcken oder Balkensysteme erfolgen. Hierzu wurden übrigens 3.000 Sandsäcke vom Bauhof und der Feuerwehr beim letzten Hochwasser zur Verfügung gestellt

 

Ratsherr Holtemeyer weist darauf hin, dass Toiletten, Duschen, Waschmaschinen, Spülmaschinen etc. für einige Anwohner nicht mehr möglich bzw. nutzbar waren. Auch nach über 3 Wochen (angefangen hatte es am 19.12.23 lt. Aussage der Nachbarn) habe sich die Situation nicht grundlegend geändert, führt er aus.

 

Herr Frewer informiert: Hier kann eine Hebeanlage, die das Abwasser über die Rückstauebene pumpt, Abhilfe schaffen.

 

Ratsherr Holtemeyer trifft die Aussage, dass „die betroffenen Häuser dabei erheblichen Schaden annehmen. Dieser ist auch versicherungstechnisch nicht abgedeckt. Elementarversicherungen decken diese Schäden nicht ab.“

 

Alexander Frewer teilt mit, dass die Rücksprache mit Versicherungsexperten zu einem anderen Ergebnis geführt habe. Elementarversicherungen würden derartige Schäden durchaus abdecken und auch die Hausrat- und Gebäudeversicherungen würden eintreten. Es könne aber sein, dass die Versicherung gewisse Anforderungen stelle, wie beispielsweise eine geeignete Rückstausicherung. Ferner werde auf die Sorgfaltspflicht der Eigentümer verwiesen.

 

Ratsherr Holtemeyer informiert, dass „der Radweg Richtung Rheder vom Überlaufen des Schmutzwasserkanals häufig überschwemmt sei“.

 

Hierauf geht Herr Frewer wie folgt ein: Ein Einstau bzw. auch der Austritt kann wie geschildert nie gänzlich ausgeschlossen werden, auch wenn dies nur sehr selten auftritt. Dem Betriebspersonal der Kläranlage ist so ein Ereignis zuletzt bekannt geworden als im Jahr 2017 nach dem schweren Baustellenunfall am Durchlass der B64 Flüssigbeton in den Schmutzwasserkanal eingedrungen ist.

 

Ratsherr Holtemeyer äußert sich, dass er die Stadt in der Verpflichtung sehe hier Abhilfe zu schaffen.“

 

Herr Frewer erklärt dazu: Wie dargestellt ist es ein steter Arbeitsprozess und eine Hauptaufgabe des Abwasserwerkes, dass öffentliche Kanalnetz in einem guten Zustand zu halten. Im Rahmen der Eigensorgfaltspflicht, den gesetzlichen Bestimmungen und der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Brakel ist allerdings auch jeder Eigentümer verpflichtet, seinen Kanalanschluss intakt zu halten und auch geeignete Rückstausicherungen vorzuhalten. Nur so kann das Risiko einer Überflutung oder eines Rückstaus auf ein Minimum reduziert werden.

 

Dem Abwasserwerk obliegt zudem eine Beratungspflicht, der selbstverständlich nachgekommen wird. Neben zahlreichen Informationen auf der städtischen Homepage wird in regelmäßigen Abständen über das Amtsblatt und neuerdings auch über „Social Media“ informiert (Amtsblatt beispielsweise 24.01.2023 und aus gegebenem Anlass jetzt zuletzt). Und selbstverständlich erfolgen auch telefonische Beratungen und es werden Vor-Ort-Termine durchgeführt.

 

Der Vorsitzende Giefers hält nach den umfangreichen Informationen abschließend fest, dass im Fall der Lingenstraße in Riesel eine sachgerechte Hilfestellung seitens der Verwaltung erfolgen und auch geprüft werden müsse, wo die Schwachstelle sei.

Die Ergebnisse sollten dann im Betriebsausschuss vorgestellt werden.