Sitzung: 28.01.2020 Haupt- und Finanzausschuss
Vorlage: 988/2014-2020
Bürgermeister
Temme berichtet einleitend über das
Starkregenereignis vom 15. Oktober 2019. Die Folgen dieses Großschadens
übertreffen die menschliche Vorstellungskraft, daher möchte die Verwaltung in
der heutigen Sitzung einen Überblick über die Auswirkungen im Hinblick auf die
Hydrologie, das Kanalnetz und vor allem den unermüdlichen Einsatz der Feuerwehr
und Hilfsorganisationen geben.
Dipl.-Ing.
Christof Münstermann erläutert
anhand von umfangreichem Bildmaterial die Auswirkungen des Ereignisses aus
Sicht der Hydrologie. Er verdeutlicht anhand der Auswertung der Luftbilder
(Drohnenflug vom 26.10.2019) die Erosions- und Fließwege des Wassers. Das
Langzeittrenddiagramm zeige die Niederschlagsintensität (mm/m2) und
liefere das erschreckende Ergebnis, denn innerhalb von 10 Minuten seien
insgesamt 23 mm Regen auf 1 Quadratmeter gefallen. Durch entsprechendes
Fotomaterial und einen Videobeitrag verdeutlicht er die katastrophale Lage, vor
allem im Ortsteil Erkeln.
Aufgrund
der Starkregenmenge wurde das Regenrückhaltebecken in Erkeln bereits innerhalb
von 40 Sekunden (860 cbm:21,25 cbm/Sekunde) komplett gefüllt. Dipl.-Ing. Münstermann liefert weiterhin Zahlen
zur Abschätzung der Wassermenge, die
über den Vogelsang-Bach zum Abfluss kam:
Regen:
30 mm = 0,03 m, Einzugsgebiet: 10 qkm = 10.000.000 qm, Ablasseiwert 50 %
(Abfluss von der Fläche), 10.000.000 qm x 0,03 m x 50% = 150.000 cbm (150 Millionen Liter).
Zu den Entsorgungsmengen teilt er mit, die Stadt
Brakel habe insgesamt 800 cbm Schlamm (zur
Deponie) und 50 Container mit zerstörtem Hausrat entsorgt. Es gab massive Probleme im Kanalnetz, insbesondere
auf der Kläranlage Hembsen. Das Belebungsbecken war aufgrund der ankommenden
Wasser-Schlamm-Massen übergelaufen. Dieses betraf zunächst den Räumer der
Nachklärung, anschließend saßen dann die Leitungen zu, so dass letztendlich
eine Abwasserbehandlung nur noch bedingt möglich war. Bei derartigen
Ereignissen muss unbedingt vermieden werden, dass Schlamm in die
Schmutzwasserkanalisation eindringen kann, denn bis heute konnte der Schlamm noch
nicht komplett aus dem Netz entfernt werden. Durch den Schaden wurden mehr als
300 Stunden an zusätzlichen Spülarbeiten durch Spezialfahrzeuge auf den
Kläranlagen und im Kanalnetz erforderlich, auch private Anschlussleitungen
waren betroffen.
Anschließend
stellt der Leiter der städtischen Feuerwehr Brakel, Sven Heinemann, die Auswirkungen des Großschadenereignisses aus Sicht
der Feuerwehr und Hilfsorganisationen dar. Er gibt zudem einen kurzen Überblick
über die Chronologie der Einsätze und die Schwierigkeit, diese überhaupt
koordinieren zu können.
Die
Feuerwehr war mit insgesamt 2.975 Einsatzstunden in das Geschehen eingebunden,
insgesamt 11 Einheiten und 86 Einsatzkräften waren im Schichtbetrieb tätig, 7
Kanalreinigungsfahrzeuge von unterschiedlichsten Dienstleistern und unzählige
Privatpersonen agierten im Dauereinsatz. 64 Einsatzkräfte der Feuerwehr, 18
Einsatzkräfte des technischen Hilfswerkes, 9 Kräfte des DLRG, 16 Fahrzeugfahrer
und rund 100 freiwillige Helfer waren ebenfalls beteiligt, so dass in Summe 207
Personen eingebunden waren.
Anhand
einer beeindruckenden Bilddokumentation verdeutlicht Sven Heinemann das unvorstellbare Ausmaß dieses Starkregenereignisses.
Auch die Tage nach dem Ereignis bedeuteten einen Dauereinsatz der unzähligen
Kräfte, bis der Ort letztendlich wieder „besenrein“ hinterlassen werden konnte.
Die
Erfahrungen und Rückschlüsse, die aus diesem Ereignis gewonnen werden konnten,
fließen nun in zukünftige Einsatzvorplanungen ein. So sei die Gründung einer Führungsgruppe der Feuerwehr
Brakel, bestehend aus allen ausgebildeten Zugführern, geplant.
Es befinde sich bereits die Einrichtung einer
Kommunikationszentrale im Feuerwehrgerätehaus Brakel „Stab für außergewöhnliche
Ereignisse (SAE)“ als Schnittstelle zwischen der Leitstelle und der
Einsatzleitung in Planung.
Bürgermeister
Hermann Temme bedankt sich bei den
Berichterstattern für die detaillierten Ausführungen, die das enorme Ausmaß des
Schadens sehr gut vorstellbar machen. Zur Nachbereitung und Aufarbeitung sei
bereits ein Treffen mit den Landwirten und der Landwirtschaftskammer erfolgt.
Die Landwirtschaftskammer werde nun zuständigkeitshalber weitere Gespräche mit
den Landwirten führen und entsprechend agieren. Bürgermeister Temme appelliert an alle Beteiligten
keinesfalls nach Schuldigen zu suchen, sondern gemeinsam an Lösungsvorschlägen
für die Zukunft zu suchen.
Die
Mitglieder des Haupt- und Finanzausschuss sind sich einig, hier wurde
hervorragende Arbeit geleistet. Ob seitens der Einsatzkräfte, der Verwaltung
oder der vielen freiwilligen Helfer, alle haben ihr Bestes gegeben.
Zur
Nachfrage des Ratsherrn Gerson, zu
einem möglichen Einsatz der Bezirksreserve erklärt Bürgermeister Temme, dass es sich hier nicht um eine
Katastrophe im Sinne des Katastrophenschutzgesetzes gehandelt habe.
Bürgermeister Temme kann gut
verstehen, dass es für die Bevölkerung schwer nachzuvollziehen sei, dass es
sich nicht um eine Angelegenheit im Sinne des Gesetzes gehandelt habe, denn die
Auswirkungen waren natürlich für jeden Betroffenen katastrophal. Der Kreis
Höxter sei allerdings die zuständige Behörde, die einen Katastrophenfall
feststelle und weitere Maßnahmen einleite.
Abschließend
teilt StVR Loermann mit, es werde
für derartige Ereignisse künftig ein „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“
eingerichtet, der von einer Räumlichkeit des Feuerwehrgerätehauses Brakel
entsprechend agieren und koordinieren werde.