Sachverhalt:
Die
Stadt Brakel ist unmittelbar an der Westfalen Weser Energie
GmbH & Co. KG (nachfolgend auch „WWE“) und damit mittelbar an der Westfalen Weser Beteiligungen GmbH
(nachfolgend auch „WWB“) sowie der
Westfalen Weser Netz GmbH (nachfolgend auch „WWN“) beteiligt. Sowohl die WWB als auch die WWN sind jeweils
100%ige Tochtergesellschaften der WWE.
Die
WWB strebt die Gründung einer Gesellschaft mit dem Arbeitstitel „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ an.
Diese Gesellschaft soll das bisher in der WWN organisierte Geschäft mit
Ladeinfrastrukturdienstleistungen für Elektromobilität übernehmen und für die
Westfalen Weser-Gruppe weiterentwickeln.
Hintergrund
Die Stadt Brakel ist
unmittelbar an der WWE beteiligt. Sämtliche Anteile der WWE werden aktuell von
56 kommunalen Gesellschaftern (Gebietskörperschaften bzw. kommunale
Unternehmen) im Versorgungsgebiet der WWE gehalten. Die WWE fungiert insofern
als Holding-Gesellschaft für die Westfalen Weser-Gruppe. Die Struktur der WWE
stellt sich wie folgt dar:
Das
operative Geschäft wird in den drei 100%igen Tochtergesellschaften, der
Westfalen Weser Netz GmbH, einem Verteilnetzbetreiber für Strom, Gas und
Wasser, der Energieservice Westfalen Weser GmbH, einem Dienstleister für
innovative Energie- und Wärmeversorgungskonzepte sowie der Westfalen Weser
Beteiligungen GmbH, die Beteiligungen verwaltet und Dienstleistungen
vermittelt, durchgeführt.
Ausgangslage & Beweggründe
Westfalen
Weser pflegt bereits ein langjähriges Engagement im Bereich der
Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und ist heute der führende
Ladeinfrastrukturdienstleister in der Region. Dieses Engagement wird bisher als
Geschäftsfeld Elektromobilität durch
WWN für die Westfalen Weser-Gruppe betreut. Derzeit gehören rund 800 Ladepunkte
sowie die Betreuung von Ladeinfrastruktureinrichtungen von Kommunen,
Stadtwerken, Autohäusern, Pflegeverbänden sowie mittelständischen Unternehmen
in der gesamten Region im Rahmen von etwa 80 Betriebsführungsverträgen zu dem
stark wachsenden Geschäftsfeld Elektromobilität von Westfalen Weser.
Darüber
hinaus hat Westfalen Weser mit dem „WW.Mobility.Marketplace“
eine ausgesprochen starke Wettbewerbsposition bei der Bereitstellung eines
IT-Back-Ends (sog. Back-End-System),
welches einen öffentlichen und barrierefreien Zugang zur Ladeinfrastruktur über
die führenden Fahrstromanbieter gewährleistet und verschiedene
Bezahlmöglichkeiten (z.B. Giro-Karte) bietet. Gemeinsam mit den Partnern
Stromnetz Hamburg und der GLS Bank hat Westfalen Weser hiermit derzeit ein
Alleinstellungsmerkmal am Markt, nämlich die Bezahlung und automatisierte
Abrechnung per Giro-Karte direkt an der Ladestation in Kombination mit der
Anbindung von führenden Fahrstromanbietern.
Ausgehend
von dieser starken Marktposition möchte Westfalen Weser das Geschäft mit
Ladeinfrastrukturdienstleistungen für Elektromobilität in einer eigenständigen
Gesellschaft forcieren und wirtschaftlich weiterentwickeln sowie mit einem
eigenen Marktauftritt stärken.
Hinzu
kommt ein rechtlicher Anstoß: Mit dem im Juli 2021 neu
eingeführten § 7c des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) weitet der
Gesetzgeber die Vorgaben zur energiewirtschaftlichen Entflechtung von
Verteilnetzbetreibern aus. Demnach muss künftig auch der
Ladeinfrastrukturbetrieb für Elektromobilität vom Betrieb der
Elektrizitätsverteilnetze gesellschaftsrechtlich getrennt erfolgen. Betreiber
von Elektrizitätsverteilnetzen dürfen in Zukunft somit grundsätzlich weder
Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile sein noch diese Ladepunkte
entwickeln, verwalten oder betreiben (§ 7c Absatz 1 Satz 1
EnWG). Für die Umsetzung der Entflechtung von Verteilnetzbetrieb und
Ladeinfrastruktur gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2023.
Damit besteht eine gesetzgeberische Vorgabe für die WWN, das Geschäft nicht
selbst weiterzuführen, sondern in eine neue Gesellschaft zu übertragen.
Beschreibung des Vorhabens: Gründung
der „Westfalen Weser Mobilität GmbH“
Zur
Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes Elektromobilität bei Westfalen Weser
sowie zur Erfüllung der vorgenannten neuen regulatorischen Anforderungen soll
die Gesellschaft mit dem Arbeitstitel „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ als
100%ige Tochtergesellschaft der WWB neu gegründet werden und die Aktivitäten im
Geschäftsfeld der Elektromobilität von WWN übernehmen und weiterentwickeln.
Ergänzend zu der nachstehenden
ausführlichen Beschreibung ist eine zusammenfassende Kurzbeschreibung des
Vorhabens dieser Beschlussvorlage als Anlage
1 sowie eine
Kurzdarstellung des Vorhabens auf Folie als Anlage 2 beigefügt.
Geschäftsmodell
„Westfalen
Weser Mobilität GmbH“ wird ein gesamthaftes Leistungsspektrum – von Planung über Bau bis hin zu Betrieb und
Service –im Bereich der Ladeinfrastrukturdienstleistungen anbieten und
damit Leistungen über den gesamten Lebenszyklus einer
Ladeinfrastruktureinrichtung hinweg anbieten. Hinzu kommt das eigene
IT-Back-End, mit welchem die Gesellschaft attraktive und nutzerfreundliche
Bezahlmöglichkeiten für Fahrstrombezug anbieten kann. Denn
dank des IT-Back-Ends können Fahrstromnutzerinnen und -nutzer den Fahrstrom an
den Ladepunkten entweder über einen der vielen angeschlossenen
Fahrstromanbieter beziehen und abrechnen oder aber direkt vor Ort und ohne
weitergehende vertragliche Bindung per Giro-Karte bezahlen.
Durch
die Darbietung eines solchen gesamthaften Leistungsspektrums ist „Westfalen
Weser Mobilität GmbH“ als 360 Grad-Anbieterin aufgestellt und kann langfristige
Kundenbeziehungen aufbauen. Aufgrund der hohen Nachfrage nach
Ladeinfrastrukturlösungen für Elektromobilität und der bereits sehr guten
Wettbewerbsposition von Westfalen Weser kann sich die neue Gesellschaft im
Bereich der Elektromobilität von Beginn an als Systemanbieterin für
Ladeinfrastruktur gut positionieren. Durch die Verknüpfung von Planung,
Hardware, Bau, Service und Abrechnungsdienstleistungen können zudem
Synergieeffekte genutzt werden, die Vorteile gegenüber einer reinen
Segmentbedienung bieten.
Das
Leistungsangebot der „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ soll sich dabei nicht nur
an Unternehmen und Verbände außerhalb der Energiewirtschaft, sondern
insbesondere auch an kommunale Stadtwerke richten, welche sich als Partner und
Multiplikatoren dem Ladeinfrastrukturnetz von Westfalen Weser anschließen und
auf diesem Wege ergänzend zu ihrem Kerngeschäft über die Plattformlösung selbst
Wachstum generieren können.
Wirtschaftlichkeit
Ausgehend
von den bereits heute rund 800 etablierten Ladepunkten ist ausweislich des
Business Cases ein Wachstum in den nächsten fünf Jahren auf rund 4.200
Ladepunkte geplant. Der aus Planung, Bau und Betriebsführung dieser Ladepunkte
resultierende Umsatz wird von rund 2 Mio. € im Jahr 2021 auf rund 5
Mio. € im Jahr 2026 steigen. Bei anhaltendem Marktwachstum soll der Umsatz
perspektivisch bis 2030 weiter kontinuierlich steigen und rund 11 Mio. €
betragen.
Die
Finanzierung des Geschäftsbetriebs einschließlich notwendiger Investitionen und
Deckung der Anlaufverluste ist vollständig mit Eigenkapital von bis zu
2,0 Mio. € vorgesehen.
In
den ersten Jahren werden hohe Aufwendungen insbesondere für Vertrieb und
Projektrealisierung das Geschäftsergebnis typischerweise noch belasten. Daher
werden planerisch erstmals im Jahr 2025 Jahresüberschüsse angesetzt, die nach
Deckung der Verlustvorträge ab 2028 Ausschüttungen von rund 0,5 Mio. €
ermöglichen. Auf Grund des geplanten Wachstumspfades soll die Gesellschaft
langfristig und nachhaltig eine Rendite von mindestens 5 % nach Steuern
erreichen.
Chancen
und Risiken
Die
Gesellschaft bietet die Chance, das Geschäft durch die Fokussierung der
Aktivitäten in einer speziellen eigenständigen Einheit stärker und schneller
auszuweiten. Zudem eröffnet die Übertragung des Geschäftsfeldes
Elektromobilität in eine eigene Gesellschaft mittelfristig die Möglichkeit zur
Bildung weiterer Kooperationen zur Stärkung des Geschäftsfeldes.
Ein
wesentliches Risiko würde hingegen aus der Nichtumsetzung des Vorhabens
resultieren. Denn ein Weiterbetrieb des Geschäftsfeldes durch die
Verteilnetzbetreiberin WWN ist aufgrund der Vorgaben des § 7c EnWG
mittelfristig nicht zulässig. Bei Nichtumsetzung des Vorhabens und ohne eine
alternative Neuorganisation des Geschäftsfeldes innerhalb der Westfalen
Weser-Gruppe drohte der Verlust des Geschäftsfeldes insgesamt für Westfalen
Weser.
Personal
Als
Neugründung soll die „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ zunächst über keine
eigenen Mitarbeitenden verfügen; somit wird es bei der Übernahme des
Geschäftsfeldes Elektromobilität von der WWN keinen Übergang von Mitarbeitenden
von WWN zur neuen Gesellschaft geben. Die „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ wird
über Dienstleistungsverträge die Fachkenntnis und Leistungsfähigkeit der
Westfalen Weser-Gruppe und insbesondere der WWN nutzen, sodass die
Beschäftigung der heute bei WWN mit der Elektromobilität befassten
Mitarbeitenden gesichert wird. Auch sollen die für den Ausbau des
Geschäftsfeldes erforderlichen Neuanstellungen bei WWN erfolgen.
Einzelheiten des Vorhabens und
Abgleich mit rechtlichen Vorgaben
Gemäß
den nachfolgenden Ausführungen entspricht die oben dargestellte
gesellschaftsrechtliche Neugründung der „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ durch
die WWB GmbH sowie die Übernahme der Geschäftsaktivität im Bereich
Elektromobilität von der WWN durch die zu gründende Gesellschaft dem
Gesellschaftszweck der WWB bzw. der WWE. Beides erfüllt die Anforderungen der
Gemeindeordnung NRW und des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes. Dies
gilt insbesondere hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur, hinsichtlich des
rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmens für die Leitung und Überwachung des
Unternehmens („Corporate Governance“) sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen. Einzelheiten zur kommunalrechtlichen Zulässigkeit finden
sich in Anlage 3 dargestellt.
Vereinbarkeit
mit dem Unternehmenszweck
Gegenstand
der WWE ist unter anderem die Beteiligung an Unternehmen, die in den Bereichen
Bezug, Transport und Verteilung von Strom, Gas, Wärme, Wasser, Abwasser, die
Erzeugung von Strom und Wärme sowie allen dazugehörigen
versorgungswirtschaftlichen Aufgaben unmittelbar oder mittelbar in der Region
Westfalen Weser tätig sind. Vor diesem Hintergrund ist die WWE an der WWB
beteiligt, welche weitere Beteiligungen hält. Unternehmensgegenstand der WWB
ist u. a.
·
Der Erwerb, die Verwaltung und Veräußerung
von Mehrheits-, Minderheits- oder alleinigen Beteiligungen an Unternehmen, die
insbesondere in den Bereichen Bezug, Transport und Verteilung von Strom, Gas,
Wärme, Wasser und Abwasser sowie Erzeugung von Strom und Wärme sowie allen
dazugehörigen versorgungswirtschaftlichen Aufgaben unmittelbar oder mittelbar
primär in der Region Westfalen-Weser tätig sind, sowie
·
die Erbringung und Vermittlung von
administrativen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen, insbesondere
gegenüber Beteiligungsunternehmen.
Gesellschaftszweck
der „Westfalen Weser Mobilität“ wird die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der
Elektromobilität, insbesondere die Beschaffung,
die Installation sowie Service- und Beratungsleistungen in Bezug auf
Ladeinfrastruktur für alle Arten von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen sowie
Dienstleistungen betreffend den Betrieb, die Abrechnung und das
Kundenmanagement sein. Mit diesem Fokus der
„Westfalen Weser Mobilität GmbH“ auf den Bereich von Ladeinfrastrukturlösungen
für Elektromobilität bewegt sich die Gründung der Gesellschaft sowie die
Beteiligung der WWB an dieser innerhalb des Unternehmensgegenstands der WWE
bzw. der WWB.
Gesellschaftsstruktur
und Corporate Governance
Die
„Westfalen Weser Mobilität GmbH“ erhält die Rechtsform einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH), deren Anteile zu 100 % von der WWB als
Alleingesellschafterin gehalten werden.
Die
Geschäftsführung der „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ soll durch eine oder
mehrere Personen erfolgen. Gibt es mehrere Geschäftsführungsmitglieder, wird
die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführungsmitglieder gemeinsam oder durch
einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin gemeinschaftlich mit einem
Prokuristen oder einer Prokuristin vertreten. Ist nur ein
Geschäftsführungsmitglied bestellt, so vertritt dieses die Gesellschaft stets
allein.
Die Satzung der „Westfalen
Weser Mobilität GmbH“ in der Gründungsfassung ist dieser Beschlussvorlage als Anlage 4 beigefügt. Die in der Satzung festgeschriebene Corporate Governance
der „Westfalen Weser Mobilität GmbH“ ist auf die Eigenschaft der „Westfalen
Weser Mobilität GmbH“ als 100%ige Tochtergesellschaft der WWB – und somit
eine Alleingesellschafterin – ausgerichtet. Mehrheitserfordernisse für die
Gesellschafterversammlung sind in diesem Fall nicht erforderlich. Für bestimmte
Geschäftsführungsmaßnahmen besteht jedoch, zum Teil ab definierten Schwellenwerten, ein
Erfordernis der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung.
Vorabstimmung des
Vorhabens mit der Kommunalaufsicht
Anlagen:
Anlage 1: Kurzbeschreibung
des Vorhabens
Anlage
2: Kurzdarstellung des Vorhabens auf Folie
Anlage 3: Einzelheiten zur kommunalrechtlichen Zulässigkeit
des Vorhabens
Anlage 4: Satzung der
Westfalen Weser Mobilität GmbH
Beschlussvorschlag:
1.
Der
Rat der Stadt Brakel stimmt – vorbehaltlich der Nichtbeanstandung durch
die Kommunalaufsicht – der Gründung der Westfalen Weser Mobilität GmbH mit
einem Stammkapital von 25.000,00 € durch die Westfalen Weser Beteiligungen
GmbH zu. Der Anteil der Westfalen Weser Beteiligungen GmbH am Stammkapital der
Gesellschaft beläuft sich auf 100 %.
2.
Falls
sich aufgrund rechtlicher Beanstandungen durch die Urkundspersonen, die
Aufsichtsbehörde oder das Registergericht sowie aus steuerlichen Gründen
Änderungen der Satzung der Westfalen Weser Mobilität GmbH als notwendig
erweisen, erklärt sich der Rat der Stadt Brakel damit einverstanden, sofern
hierdurch der wesentliche Inhalt der Satzung nicht verändert wird und
kommunalrechtliche Belange nicht betroffen sind.
3.
Die
Vertretung der Stadt Brakel in der Gesellschafterversammlung der Westfalen
Weser Energie GmbH & Co. KG wird bevollmächtigt und
beauftragt, die Geschäftsleitung der Westfalen Weser Energie
GmbH & Co. KG zu ermächtigen und zu beauftragen, in der
Gesellschafterversammlung der Westfalen Weser Beteiligungen GmbH den
Beschlüssen zur Umsetzung der obigen Ratsbeschlüsse zuzustimmen und
insbesondere die Geschäftsleitung der Westfalen Weser Beteiligungen GmbH zu
ermächtigen und zu beauftragen, die hierfür notwendigen Schritte umzusetzen,
insbesondere die Gesellschaftsverträge abzuschließen.