Betreff
Beteiligung der Westfalen Weser Netz GmbH an der Wassernetz-Servicegesellschaft mbH
Vorlage
620/2014-2020
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

 

Die Stadt Brakel ist unmittelbar an der Westfalen Weser Energie GmbH & Co. KG (WWE) und damit mittelbar an der Westfalen Weser Netz GmbH (WWN) beteiligt. Die WWN ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der WWE. Die WWN strebt zusammen mit der Wasserwerke Paderborn GmbH (WWP) die Gründung der Wassernetz-Servicegesellschaft mbH (WSG) an. Die einzelnen Beteiligungsverhältnisse und die Zielstruktur sowie die Verantwortlichkeiten der einzelnen Aufgaben sind aus der Anlage 1 ersichtlich.

 

Ab dem 01.01.2018 soll die WWP Konzessionärin für den Bereich Trinkwasser in den Versorgungsgebieten der Stadt Paderborn, der Stadt Bad Lippspringe und der Gemeinde Borchen werden. Bis zum 31.12.2017 ist die WWN in den vorgenannten Gebieten Konzessionärin. Die örtlichen Wasserwerke sowie die Wassernetze stehen bereits heute im Eigentum der WWP, so dass die Betriebsverantwortung vor allem für die Bereiche Netzbetriebsführung und Vertrieb von der WWN auf die WWP übergehen wird.

Um eine weiterhin effiziente und sichere Trinkwasserversorgung in den genannten Gebieten sicherzustellen, beabsichtigen die beiden Parteien WWN und WWP, das Gemeinschaftsunternehmen „Wassernetz-Servicegesellschaft mbH“ mit Sitz in Paderborn zu gründen und auf dieser Basis zusammenzuarbeiten. Die Beteiligungsquoten sollen je 50 % am Stammkapital von 200.000,- € betragen.

Dies ermöglicht der WWN, durch die Fortführung des Netzbetriebs auf neuer Grundlage die vorhandenen Sach- und Personalkapazitäten der Wasserwirtschaft weiterhin einzusetzen und Synergien im Zusammenwirken mit dem Strom- und Gasnetzbetrieb einzubringen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Bürger mit Wasser, Gas und Strom über eine einheitliche Verteilnetzbetriebsführung aus einer Hand bedient werden. Die Stadt Paderborn erhält mit der Übernahme der Wasserkonzession eine Identität als umfassender Infrastrukturpartner der Bürger sowohl für den Strom- und Gasvertrieb (in der Tochtergesellschaft Stadtwerke Paderborn GmbH) als nunmehr auch für die Wasserversorgung.

Das Gemeinschaftsunternehmen WSG soll zum 1.1.2018 seine Geschäftstätigkeit aufnehmen. Die WSG bedient mit der Leistungsbereitstellung im technischen Bereich der Wasserversorgung ein klassisches Feld der Daseinsvorsorge. Da es sich bei den Kooperationspartnern WWN und WWP um kommunale Gesellschaften handelt, ist die Vergabe und der Bezug von Leistungen an ein gemeinsames Tochterunternehmen ohne Ausschreibung zulässig, sofern dieses Gemeinschaftsunternehmen, vorliegend die WSG, wesentliche Teile der Sektorentätigkeit selbst erbringt. Sektorentätigkeit im Wasserbereich ist die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser oder die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze, vgl. §§ 100, 102 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die WSG übt die Sektorentätigkeit im Bereich der Trinkwasserversorgung in den Versorgungsgebieten der Städte Paderborn und Bad Lippspringe sowie in der Gemeinde Borchen aus. Dabei handelt es sich vornehmlich um technische Service- und Betriebsführungsleistungen.

Die Beteiligung der WWN an der WSG bedarf der vorherigen Zustimmung der Räte der nordrhein-westfälischen Anteilseigner der WWE. Der Aufsichtsrat der WWE hat dem Vorhaben nach entsprechender Vorbefassung durch den Bilanz- und Finanzausschuss sowie dem Fachbeirat dem Grundsatz nach zugestimmt. Die Räte der Städte Paderborn und Bad Lippspringe und der Gemeinde Borchen werden in getrennten Tagesordnungspunkten zudem über die Vergabe der Wasserkonzessionen an die WWP beraten und zeitnah zur Vergabe beschließen.

Die WWE beabsichtigt vor diesem Hintergrund, eine mittelbare Beteiligung

an der noch zu gründenden Wassernetz-Servicegesellschaft mbH (WSG) durch Einzahlung auf das Stammkapital in Höhe von 100.000 € für 50 % der Geschäftsanteile

zu erwerben und diese Gesellschaft mit der technischen Steuerung und den Qualitätssicherungsmaßnahmen in den genannten Wassernetzen zu beauftragen.

Gleichzeitig wird die WSG wesentliche technische Leistungen bei der WWN einkaufen und ihre Leistungen und die eingekauften Leistungen an WWP in Rechnung stellen. Eine Dienstleistungserbringung für Dritte ist ausgeschlossen. Insgesamt wird die WSG voraussichtlich acht Mitarbeiter haben, die sie von WWN und WWP teils übernimmt und teils  gestellt bekommt. Geschäftsansässig wird die Gesellschaft in Paderborn am Rolandsweg  sein (Planung).

 


 

Einzelheiten des Vorhabens und Abgleich mit rechtlichen Vorgaben:

Gemäß den nachfolgenden Ausführungen entspricht die oben dargestellte gesellschaftsrechtliche und operative Kooperation dem Gesellschaftszweck der WWN bzw. WWE und erfüllt die Anforderungen der Gemeindeordnung NRW und des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes hinsichtlich Gesellschaftsstruktur / Governance und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Vereinbarkeit mit dem Unternehmenszweck:

Gegenstand der WWE ist unter anderem die Beteiligung an Unternehmen, die in den Bereichen Bezug, Transport und Verteilung von Strom, Gas, Wärme, Wasser, Abwasser, die Erzeugung von Strom und Wärme sowie allen dazugehörigen versorgungswirtschaftlichen Aufgaben unmittelbar oder mittelbar in der Region Westfalen-Weser tätig sind. Vor diesem Hintergrund ist die WWE an der WWN, deren Unternehmensgegenstand der Netzbetrieb ist, beteiligt und diese hält weitere Beteiligungen. Gesellschaftszweck der WSG wird die technische Steuerung der Wassernetze in Paderborn, Bad Lippspringe und Borchen und die Sicherung der Wassernetzqualität sein. Eine Beteiligung der WWN an der WSG bewegt sich damit innerhalb des Unternehmensgegenstands der WWE bzw. der WWN.

 

Gesellschaftsstruktur und Governance:

Die WSG erhält die Rechtsform einer GmbH.

Die Gesellschaft soll im Regelfall zwei Geschäftsführer haben, von denen einer unbeschadet der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung als technischer Geschäftsführer und der andere als kaufmännischer Geschäftsführer handelt. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem Prokuristen vertreten. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft stets allein. Der WWP und der WWN steht das unentziehbare Recht zu, je einen Geschäftsführer zu benennen, solange sie Gesellschafterinnen der WSG sind.

Die Gesellschaftsverträge sehen eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit oder mit dreiviertel Mehrheit der abgegeben Stimmen für definierte Rechtsgeschäfte, zum Teil ab definierten Schwellenwerten, vor.

Insgesamt ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung auf das Konsensprinzip ausgerichtet sind. Durch diese Regelungen ist auch sichergestellt, dass die kommunalen Gesellschafter der WWN und der WWP einen starken und angemessenen Einfluss auf die Geschäftsführung und die Rechtsgeschäfte der Gesellschaft haben.

Die Parteien schließen zudem einen Konsortialvertrag, mit dem weitere Details der Zusammenarbeit geregelt werden.

Einnahmen:

Die WSG wird betriebswirtschaftlich als Kosten-plus-Gesellschaft in der Weise ausgestaltet, dass die Kosten der WSG durch Betriebsführungserlöse gedeckt werden und darüber hinaus ein angemessener Gewinnaufschlag erzielt wird.

Die Einschaltung des Gemeinschaftsunternehmens trägt wesentlich zu einer wirtschaftlichen und sicheren Wasserversorgung bei, so dass Wasserpreisanpassungen anlässlich der Neukonzessionierung nicht zu erwarten sind.

Die WWN erbringt für die WSG Dienstleistungen in einem jährlichen Umfang von rund 5,5 Mio. € für die ersten 5 Jahre und anschließend von rund 5,0 Mio. € jährlich (Basisjahr 2016). Darüber hinaus entlastet sich WWN durch den geplanten Übergang von bis zu 4 Mitarbeitern  und vermeidet damit Remanenzkosten, also verbleibende Sach- und Personalkosten bei weggefallenen Aufgaben.

Chance / Risiko:

Die Beteiligung der WWN an der WSG stärkt die Partnerschaft der WWE-Gruppe mit den Anteilseignern Paderborn, Bad Lippspringe und Borchen.

Im Vergleich zum Verlust der örtlichen Wasserkonzessionen sichert die WWN durch die Betriebsführung des Wassernetzes kontinuierliche Ergebnisse und vermeidet Remanenzkosten. Im Vergleich zur Ausgangssituation entfallen für WWN die Risiken der Endkundenbeziehung sowie vorhandener und drohender Wasserverluste.

Die Risiken und Chancen in Bezug auf den Zugewinn der Betriebsführung für WWN liegen in der auskömmlichen Erbringung der für die Betriebsführung notwendigen technischen Tätigkeiten. Hierzu liegen jedoch positive Erfahrungen aus 17 Jahren Betrieb der genannten Netzbereiche durch WWN vor, in denen sich die WWN als kompetenter Wassernetzbetreiber erwiesen hat. Dieses Know-how will die WWN nunmehr im Rahmen der Kooperation gewinnbringend einbringen.

Die Kooperationspartner WWN und WWP gehen davon aus, dass die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens vergabe- und kartellrechtskonform ist. Des Weiteren gehen sie davon aus, dass die anschließende Beauftragung des Gemeinschaftsunternehmens WSG durch die Kooperationspartner genauso wie Auftragsvergaben seitens des Gemeinschaftsunternehmens WSG an die Kooperationspartner dem Ausnahmetatbestand des § 139 GWB unterfallen, so dass Vergaben durch oder an dieses Gemeinschaftsunternehmen vom Vergaberecht befreit sind. Die jeweiligen Auftraggeber werden die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens wie auch die beabsichtigten Auftragsvergaben gem. § 135 Abs. 3 GWB vorab im EU-Amtsblatt veröffentlichen. Die auf dem Vergaberechtsgebiet namhafte Anwaltskanzlei AULINGER Rechtsanwälte | Notare hat die vergaberechtlichen Prüfungen begleitet und die Übereinstimmung mit dem Gesetz bestätigt.

 

Kommunalrechtliche Vorgaben:

Die kommunalrechtlichen Vorgaben der §§ 107, 108 ff. GO NRW werden eingehalten.

Nach § 108 Abs. 6 S. 1 lit. a) GO NRW dürfen Vertreter einer Kommune in einer Gesellschaft, an der Gemeinden unmittelbar oder mittelbar mit mehr als 25 vom Hundert beteiligt sind, der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft des privaten Rechts nur zustimmen, wenn

·        die vorherige Entscheidung des Rates vorliegt,

·        für die Gemeinde selbst die Gründungs- bzw. Beteiligungsvoraussetzungen vorliegen und

·        sowohl die Haftung der sich beteiligenden Gesellschaft als auch die Haftung der Gesellschaft, an der eine Beteiligung erfolgt, durch ihre Rechtsform auf einen bestimmten Betrag begrenzt sind.

Die Beteiligungsvoraussetzungen für eine Gemeinde sind nach § 108 Abs. 1 S. 1 GO NRW:

·      Die Einhaltung der Voraussetzungen nach § 107 Abs. 1 GO NRW bzw. § 107a GO NRW.

·      Wahl einer Rechtsform, welche die Haftung der Kommune auf einen bestimmten Betrag begrenzt.

·      Einzahlungsverpflichtung der Gemeinde in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit.

·      keine Verpflichtung zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter oder unangemessener Höhe.

·      angemessener Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan und dieser durch vertragliche Ausgestaltung gesichert.

·      Ausrichtung des Unternehmens durch Gesellschaftsvertrag auf den öffentlichen Zweck.

·      Einhaltung der Vorschriften für Aufstellung und Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht.

Diese Vorgaben werden bei der Gründung der WSG eingehalten . Insbesondere die Ausgestaltung des Unternehmensgegenstandes der WSG sichert eine Ausrichtung an den „öffentlichen Zweck“, auf den in § 2 Abs. 3 S. 2 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich Bezug genommen wird. Zweck der Gesellschaft ist nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ausschließlich die Erbringung von Sektorentätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung.

Die Ausgestaltung als GmbH sichert darüber hinaus eine Haftungsbegrenzung sowie angemessene Einflussnahmemöglichkeiten der Gesellschafter. Für die Kommune selbst wären damit die Beteiligungsvoraussetzungen gegeben.

Die WSG ist gemäß dem Gesellschaftsvertrag  (§ 2 Abs. 3 S. 1) zudem verpflichtet, die Wirtschaftsgrundsätze des § 109 GO NRW einzuhalten. Das Landesgleichstellungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen wird gem. § 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages berücksichtigt. Der Gesellschaftsvertrag  setzt in § 7 Abs. 1.3 und Abs. 3 sowie in § 12  die Vorgaben des § 108 Abs. 5 GO NRW um. Sowohl die Haftung der sich beteiligenden Gesellschaften als auch die Haftung der Gesellschaft, an der eine Beteiligung erfolgt (also der WSG) sind auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Die kommunalrechtlichen Vorgaben werden damit eingehalten.

Ein entsprechendes Anzeigeverfahren ist nach § 115 GO durchzuführen.

Eine erste Abstimmung mit der Bezirksregierung Detmold als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde nach § 120 GO Abs. 5 hat bereits stattgefunden.

 


Anlagen:

 

 

Anlage 1:  Übersicht der Beteiligungsverhältnisse und der Zielstruktur sowie der Verantwortlichkeiten

 

Anlage 2:  Gesellschaftsvertrag der Wassernetz-Servicegesellschaft mbH

 


Beschlussvorschlag:

 

 

1. Der Rat der Stadt Brakel stimmt – vorbehaltlich der Nichtbeanstandung durch die Kommunalaufsicht – der Beteiligung der Westfalen Weser Netz GmbH an der zu gründenden Wassernetz-Servicegesellschaft mbH  mit einem Stammkapital von 200.000,- € zu. Der Anteil der Westfalen Weser Netz GmbH am Stammkapital beläuft sich auf      50 %.

 

2. Falls sich aufgrund rechtlicher Beanstandungen durch die Urkundspersonen, die Aufsichtsbehörde oder das Registergericht sowie aus steuerlichen Gründen Änderungen der Gesellschaftsverträge als notwendig erweisen, erklärt sich der Rat der Stadt Brakel damit einverstanden, sofern hierdurch der wesentliche Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht verändert wird und kommunalrechtliche Belange nicht betroffen sind.

 

3. Der Vertreter der Stadt Brakel in der Gesellschafterversammlung der Westfalen Weser Energie GmbH & Co. KG wird bevollmächtigt und beauftragt, die Geschäftsleitung der Westfalen Weser Energie GmbH & Co. KG zu ermächtigen und zu beauftragen, in der Gesellschafterversammlung der Westfalen Weser Netz GmbH den Beschlüssen zur Umsetzung der obigen Ratsbeschlüsse zuzustimmen und insbesondere die Geschäftsleitung der Westfalen Weser Netz GmbH zu ermächtigen und zu beauftragen, die hierfür notwendigen Schritte umzusetzen.